Während der Coronapandemie wurden wir BoFrost Kunde und so konnte ich alle 14 Tage erleben, was dieser Lieferdienst so leistet und wie er sich so digital aufgestellt hat.
BoFrost liefert, ähnlich wie Eismann, ein großes Sortiment an Tiefkühlprodukten an die Haustüren von Kunden in ganz Deutschland. Gegründet wurde es 1966, hat (Stand 2022/2023) über 10.000 Mitarbeiter und einen Umsatz von fast 1,5 Milliarden Euro. Aktiv sind sie in zwölf Ländern. Rund 3.000 BoFrost Wagen beliefern 2,2 Mio. Kunden in Deutschland. Neben Katalogen und Bestellungen per Telefon können Kunden ihre Bestellungen auch Online vornehmen. Wirkliche Angebote (ausser z.B. „nimm 4 Tüten Pommes und zahle 3“ – begrenzt auf wenige Warengruppen und kleinen Produktgrößen) sieht man selten und sind meist nur Abverkäufe am Ende einer Saison. Mit BoFrost Plus gibt es auch ein Kundenbindungsprogramm.
2019 hat Bofrost ihr Verkaufssystem digitalisiert und wenn ich meinen BoFrost Verkäufer bei der Bestellaufnahme sehe, war die Digitalisierung nach Projektdefinition vermutlich erfolgreich. Die Bestellaufnahme geht schnell, Online-Bestellungen vom Vorabend sind enthalten und es macht einen runden Eindruck. So wird der Verkäufer deutlich mehr Kunden pro Tag bedienen können als vorher. Was bei der Digitalisierung leider vergessen wurde (oder extra nicht bedacht wurde) ist die Kundensicht. Sameday Delivery, andere Zahlungsmöglichkeiten als SEPA, online absage von Terminen und viele mehr ist aktuell bedauerlicherweise nicht möglich. Der Warenbestand eines BoFrost Autos wird zudem nicht digital erfasst, sondern vermutlich nur manuell beim Packen. So kam es in der Vergangenheit häufiger vor, dass unser Verkäufer in seinem System zwar z. B. 3 Packungen Kroketten noch hatte, es dann aber nur noch 2 waren beim Nachschauen.
Mein größter Kritikpunkt: Bei BoFrost sind neben den hohen Preisen aber die Termine.
Noch immer gibt mir der Fahrer einen Termin vor, wann er als Nächstes kommt. Immer mit einem vier Seiten Papierflyer, den er übergibt oder in den Briefkasten steckt, wenn man nicht zu Hause ist. Termine können online auch nicht storniert werden, sondern nur telefonisch. Und die Hürde ist sicherlich für viele groß. So habe ich den BoFrost Verkäufer schon oft weggeschickt, da der Gefrierschrank voll war, ich nichts brauchte oder ich auch einfach nicht Zuhause war. Wobei ich vermute, dass vor allem die älteren Kunden eher Bedenken (oder Mitleid) haben, den Verkäufer ohne einen Einkauf weiterzuschicken. „Wenn er schon extra zu mir gefahren ist …“ Ob das einkalkuliert ist – wer weiß.
Beim Preis pro Produkt ist die Lieferung zumindest einkalkuliert, denn BoFrost hat keine extra Lieferkosten und keine Mindestbestellmenge.
12 Stück Riesensandwich Fürst Pückler Art kosten bei BoFrost rund 10,95 €. Beim Rewe Lieferservice kosten vergleichbare 6 Nestlé Schöller Eis Big Sandwich 3,79 € plus Versand. (Bei Lidl bekommt man sie im Angebot für teils unter 2,40 €). Damit ist BoFrost fast doppelt so teuer wie bei einem Kauf bei Lidl und über 3 € beim Rewe Lieferservice (ohne Versandkosten). Und das Beispiel steht stellvertretend für viele Produkte. Ein Grund für die hohen Preise ist sicher, dass bei BoFrost die Lieferkosten im Produktpreis bereits enthalten sind. Denn natürlich kostet es Geld, wenn der Verkäufer mit dem BoFrost Wagen vor der Tür hält und klingelt. Bei BoFrost ist es egal, ob ich ein Produkt oder zwanzig Produkte kaufe: Am Produktpreis ändert das nichts. Nach dem Grundsatz profitiert jeder, der nur 1-2 Sachen bei BoFrost kauft und der Einkauf von Grossfamilien kostet so schnell zweistellige Eurobeträge als Lieferkosten in den Produkten versteckt.
BoFrost Konzept – nicht Fisch nicht Fleisch
BoFrost ist in einer ||spannenden|| herausfordernden Situation. Sie haben ein sehr großes Vertriebsnetz mit vielen Wagen und Verkäufern, bekommen aber immer mehr Konkurrenz von anderen Lieferdiensten, deren Produkte teils deutlich günstiger sind, da die Lieferkosten bei größeren Bestellungen sich nicht mehr so stark auf den Preis niederschlagen. Die Qualität der Produkte ist zwar gut, aber auch nicht im Premium Segment anzusiedeln. Warum dann noch BoFrost? Die Verkäufer sind zwar nett und kennen grundsätzlich auch ihre Produkte – aber eine wirkliche Top-Beratung diesbezüglich habe ich noch nicht bekommen. So ist BoFrost interessant für Kleinbestellungen (die auch bei BoFrost nur schwer rentabel sein können, wenn man nur Kroketten für 2,95 € kauft) und für Produkte, an die sich die Kunden gewöhnt haben und es keine Alternativen gibt. So wird es spannend, wie sich BoFrost hier gegen Picnic und den Rewe Lieferservice langfristig behaupten wird.
Profitieren tut BoFrost (wie alle Lieferdienste) natürlich noch immer von der Homeoffice-Situation – so treffen sie aktuell tagsüber weiterhin viele arbeitende Menschen zu Hause an.
Meine Empfehlungen an BoFrost aus Kundensicht:
- Eine klare Markendefinition, die sich von anderen Lieferdiensten abgrenzt und sich auch an die jüngere (auch nicht vegane) Zielgruppe richtet. Warum bestelle ich bei BoFrost und nicht bei Picknic, Rewe Lieferservice oder Eismann?
- Termine müssen individueller machbar und auch ONLINE stornier bar und umbuchbar sein. Wer möchte dazu jemanden anrufen? Und Wiederholungszeiten der Termine (aktuell alle 14 Tage) müssen frei wählbar sein. Ideal kann ich Zeiten angeben an denen ich normal zuhause bin.
- Einzelbestellungen ermöglichen, ohne den 14-tägigen Termindruck und Bezahlung mit EC und Kreditkarte. (inkl. Apple Pay und Google Pay)
- Die App mit der Webseite gleichstellen. Z.B. suche ich die Kategorie Angebote in der App vergebens.
- Einen spürbaren Rabatt für Kunden, die mehr Produkte kaufen, um auch größere Bestellungen attraktiver im Preis zu machen und den Umsatz nicht an Rewe und Co zu verlieren.
- Verzichtet auf den Papierflyer. Schickt den Termin und die Angebote lieber als Newsletter. Ich bekomme so oft einen Flyer in die Hand gedrückt, bei dem die wenigen Angebote nur noch 1-2 Tage gültig sind.
Übrigens: Während meines aktuellen Urlaubs hatte unser BoFrost Verkäufer zwei Anfahrten bei uns, ohne dass jemand bei uns zu Hause ist. Schade für ihn – ich hätte gerne online abgesagt.
3 Kommentare
Individuelle Termine wird es vermutlich aus Gründen von Tourplanungen nicht geben. Termine online stornieren sollte aber drin sein, zumindest beim jüngeren Käufer der sich auch mal traut ohne Kauf BoFrost wegzuschicken! Die älteren nutzen das Onlineangebot eh weniger.
Komischerweise, wenn man bei der Hotline den Termin stornierst, bekommt man gleich 2-3 Vorschläge wann der Fahrer stattdessen vorbeikommen kann. Das sollte auch online daher gehen.
Hi Steffen, vielen Dank für den Impuls. Hab ich noch nie so gesehen, gebe dir aber vollkommen recht. Das Konzept ist leider aus der Zeit gefallen. Wir haben bei Bofrost zuletzt 2021 bestellt, und ich fragre mich warum. Jetzt weiß ich es wieder 🙂